«Unsere Reise hat gerade begonnen.» Innovation in der Onkologie Prof. Ferdinand Hofstädter beschrieb 2010 in seinem Artikel «Innovationen in der Onkologie» das Spannungsfeld von «Individualisierung der Versorgung» und Standardisierung der Therapie.1 Auffallend scheint, dass offenbar mit neuen Erkenntnissen auch immer wieder neue Fragen auftauchen, neue ungelöste Herausforderungen. Je tiefer die Wissenschaft forscht – Stichwort therapieprädikative molekulare Diagnostik (Theragnostik) – desto mehr tauchen neue Fragen auf, die wiederum zu weiteren Forschungen führen. Ein eindrückliches Beispiel ist das parallele Progressionsmodell. Es stellt systemische Therapiekonzepte in Frage, da es die Therapiemodalität und die Targets nicht mehr von den Qualitäten des Primärtumors, sondern von denen der schlafenden Tumorzellen abhängig macht.2 Und während heute CAR-T als disruptive Innovation gefeiert wird, gehen die Überlegungen bereits in Richtung BiTEs (bispezifische T-Zell-Engager), die eines Tages die milliardenfache und aufwändige ex-vivo Replizierung von Zellen ersetzen könnte. Innovation erfolgt selten linear, insbesondere in der medizinischen Grundlagenforschung. Oft ist es ein Zusammenspiel verschiedener Bestrebungen über Jahrzehnte hinweg, die zum Durchbruch führen. Katalin Kariko forschte bereits in den 90er Jahren in den USA an der mRNA-Technik. Erst 2015 schaffte sie zusammen mit ihrem Kollegen Drew Weissmann den Durchbruch und fand die Lösung, um die fragilen Boten-RNA optimal zu verpacken, zu stabilisieren. Bis dahin wurde die mRNA innert Sekunden im Körper abgebaut und war entsprechend wirkungslos.    Innovation braucht Zeit und Hartnäckigkeit Schon Hofstädter stellte fest, dass Innovation Zeit braucht und erläuterte als Beispiel die historische Entwicklung der Kenntnisse über die Umlagerung von Genelementen (Translokation) bei der chronischen myeloischen Leukämie, die zu Schlüsselmechanismen der Zellsteuerung geführt und therapeutische Innovationen bei weiteren Tumorarten induziert haben. Von der ersten biologischen Beobachtung, der molekularen Erklärung bis zur Umsetzung in der Therapie vergingen über 30 Jahre. Bei den Kinasen und Antikörpern erfolgten die grossen Durchbrüche um die Milleniumwende (Mabthera, Herceptin, Imatinib). Vor wenigen Jahren folgte dann CAR-T.  Gefragt ist darüber hinaus Hartnäckigkeit im Sinne nachhaltiger Untersuchungen und Forschungen. Ein Beispiel dafür sind die Erfolge bei der Behandlung von Melanomen. Zu Beginn der Untersuchungen profitierte nur einer von zehn Probanden von einer Behandlung. In der Nachverfolgung wurde festgestellt, dass diese Patienten nach fünf Jahren immer noch tumorfrei waren, auch nach zehn Jahren. In der Folge wurde untersucht, warum dies bei den restlichen neun von zehn Patienten nicht funktioniert hat und fand die Unterschiede letztlich mit den Checkpoint-Inhibitoren. Heute gilt der fortgeschrittene schwarze Hautkrebs als heilbar. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt heute (Stand 2017) bei über 90 Prozent (1970 52 Prozent).3   Dennoch: Noch immer sind die Erfolge bei diversen Krebserkrankungen bescheiden. Umso wichtiger ist die Offenheit für neue Ansätze, insbesondere wenn die Outcomes nicht «nur» in Studien Hoffnung wecken, sondern Real Life Daten dies auch bestätigen. Dabei steht nicht immer die Heilung im Vordergrund. Vielmehr liegt der Fokus auf einer Lebensverlängerung bei möglichst guter Lebensqualität und einem Maximum an Autonomie für die betroffenen Patienten. Denn dank der Dynamik in der Innovation könnte in nützlicher Frist eine Therapieoption verfügbar sein, die ein längerfristiges Überleben ermöglicht. Ein gutes Beispiel – ausserhalb der Welt der Onkologie – sind die heute verfügbaren Therapieoptionen bei der schubförmigen Multiplen Sklerose (RRMS). Patienten leben lange weitgehend schubfrei, haben entsprechend einen weniger progredienten Krankheitsverlauf bei signifikant besserer Lebensqualität. Vor allem können Sie darauf hoffen, dass in den nächsten Jahren ein Wirkstoff verfügbar ist, der das Immunsystem gänzlich davon abbringt, das eigene ZNS (Zentrale Nervensystem) anzugreifen. Wer mit Experten spricht, der weiss: die Forschung geht weiter ins Innerste des Menschen, seiner biologischen, chemischen Struktur und dem Zusammenspiel von Faktoren, die wir heute noch nicht verstehen. Gleichzeitig sollten auch Techniken wohlwollend in die Behandlungsprozesse implementiert werden, die Patienten eine signifikante Lebensverlängerung bei guter Lebensqualität ermöglichen. Tumor Treating Fields sind ein solcher Ansatz und zeigen bereits interessante Real Life-Erfahrungen. Und sie sind seit August 2021 auch in den OnkopediaLeitlinien für die Behandlung des Glioblastoms aufgeführt (siehe Box). Tobias Weizel, Novocure Regional Vice President Germany, Austria & Switzerland, ist überzeugt: «Wir können mit TTFields entscheidende Fortschritte in der Krebstherapie erzielen. Unsere Reise hat gerade begonnen.» Bibliografie 1 Artikel Prof. Hofstädter 2 Klein, C. A.: Parallel progression of primary tumours and metastases. In: Nature Reviews Cancer 9 (2009), 302–312. 3  BCG und vfa bio: Biotech-Report. Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2017;  Biopharmazeutika: Neue Therapiekonzepte in der Onkologie, 2017;  Robert Koch Institut: Krebs in Deutschland für 2013/14, 11. Ausgabe, 2017