Wie sieht die Zukunft in der onkologischen Innovation aus? Nachgefragt bei Prof. em. Dr. med. Thomas Cerny «Wir leben in einem Kontinuum, werden immer wieder Neues entdecken mit dem Potenzial, disruptiv zu sein. Das war so in der Molekularbiologie, der Molekulargenetik und neuestens Immunologie und hat uns ermöglicht, Mechanismen zu verstehen und dadurch Krankheitsmechanismen gezielt anzugehen. Es gibt aber Bereiche, die wir noch nicht oder erst wenig verstehen:  - Mikrobiome: Wir lernen im Moment aus der Evolution, dass die Dinge viel mehr in einem komplexen Zusammenhang stehen und dass man bei einer nur linearen Betrachtungsweise unter Umständen wichtige Einflussfaktoren verpasst. Wir stellen beispielsweise fest, dass gewisse Krebsmedikamente wegen dem Mikrobiom im Darm wirksamer oder weniger wirksam sind. Ein Medikament und seine Metabolite gelangen in den gastroenteropathischen Kreislauf. Die Metabolite verändern sich dabei je nach Mikrobiom. Dieser Prozess ist bei jedem Patienten anders. Wir beobachten dies zunehmend aber wir verstehen das noch nicht. Die Forschung in diesem Bereich wird in den kommenden Dekaden sehr spannend werden.  - Epigenetik: Die DNA und RNA verstehen wir inzwischen bestens. Aber die ganzen steuernden chemischen Prozesse an der Oberfläche der Chromosomen, die so genannte Epigenetik, verstehen wir erst rudimentär. Wir kennen gewisse chemische Prozesse wie die Methylierung und Acetylierung, zwei an sich einfache chemische Prozesse. All das entscheidet mit, ob ein Genabschnitt abgelesen wird oder nicht. Es gibt bereits Medikamente, zum Beispiel in der Leukämietherapie, welche diese Prozesse gezielt beeinflussen. Aber wir haben noch nicht verstanden, wie das alles zusammenspielt. - Prävention: Die Analyse des Genoms eines Menschen oder eines Tumors ist heute zunehmend an sich eine einfache und immer billigere Angelegenheit. Es ist denkbar, dass wir in den nächsten Jahrzehnten aufgrund der Entzifferung dieser Informationen immer früher Krankheiten und deren Rückfälle entdecken, bevor sie uns ernsthaft krank machen. Da können wir eingreifen. Das wird zum Teil auch schon getan, beispielsweise um einen Enzymdefekt zu kompensieren. Es gibt neue wichtige Medikamente wie bei der Mukoviszidose die dazu führen, dass Kinder ein weitgehend normales Leben führen können, die ansonsten vorzeitig daran sterben. Es geht also darum, Krankheit und vor allem deren Spätfolgen zu vermeiden.» Disclaimer: Prof. em. Dr. med. Thomas Cerny hat diese Frage unabhängig beantwortet und keine finanzielle Leistung dafür erhalten.